Schulentwicklung auf singhalesisch
Freundeskreis Neuwied-Matara arbeitet weiter an Schulen in Sri Lanka
Sommerferien in Deutschland — Deutsche Lehrer bei der Arbeit an Schulen im früheren Ceylon! Die Stadt Matara im Süden Sri Lankas hatte es damals im Dezember 2004 beim großen Tsunami böse erwischt, und um hier Abhilfe zu schaffen, gründete sich kurze Zeit später der Freundeskreis Neuwied-Matara e. V.Einige seiner über 100 Mitglieder sind seitdem jedes Jahr vor Ort. Der Geschäftsführer und seit langen Jahren in Altenkirchen lebende Singhalese und Koordinator der Hilfsprojekte, Sagara Abegunewardene, der das Land, die Kultur, die Sprache und die Mentalität seiner früheren Landsleute bestens kennt, ist Motor der zahlreichen Projekte und Garant für ihr Gelingen.
Die damalige Entscheidung, nicht nach dem Gießkannenprinzip Geld zu verteilen sondern die Hilfe auf Schulen von Matara zu konzentrieren, um nachhaltig eine Infrastruktur für bessere Ausbildung und damit bessere Zukunftschancen zu schaffen, hat sich bewährt und trägt Früchte.
Großzügige Spenden verhalfen zum Bau von zwei Internaten, Klassenräumen und einer Werkstatt, die den Schülern und ihren Familien vor Ort Perspektiven eröffnen, die echte Lebenshilfe darstellen. (Die RZ berichtete regelmäßig darüber.) Hier waren neben vielen anderen die Aktion der Rheinzeitung „HELFT UNS LEBEN“, das Land Rheinland-Pfalz, die Firma Lohmann in Neuwied-Feldkirchen, die Sparkassen Neuwied und Köln, die Volks- und Raiffeisenbank Neuwied mehrmals beteiligt. Sachspenden, vor allem zahlreiche Kugelschreiber von den Banken, der DeBeKa oder der Firma Liqui Moly u. v. a. sind bei den singhalesischen Schülern heiß begehrt.
Die großen Geldströme verebben mittlerweile, da die Katastrophe des verheerenden Tsunamis keine Schlagzeilen mehr macht, die größten materiellen Schäden behoben sind und das Land — trotz massiver Armut in weiten Gebieten — sich im Stadium einer fortschreitenden Entwicklung befindet, die weite Teile der Bevölkerung jedoch nicht erreicht.
In Kenntnis der Verhältnisse vor Ort hat sich der Freundeskreis Neuwied-Matara daher entschlossen, seine Arbeit an zwei Schulen in Matara im Bildungs- und Ausbildungsbereich fortzusetzen, in deren Umfeld die Not sehr groß ist. Neben dem Bau von drei naturwissenschaftlichen Unterrichtsräumen am Anura College in 2010 und einem Hauswirtschaftsraum in 2011, sowie zwei weiteren großen Fachräumen in 2012, konnte in diesem Jahr eine kleine Bibliothek eröffnet werden, die wie die vorher genannten Räume als absolutes Novum in dieser äußerst minderbemittelten Schule gilt und unbeschreiblichen Stolz, Dankbarkeit und Freude freisetzt. Neben dieser materiellen Unterstützung unterhalten Mitglieder des Freundeskreises eine Reihe von Patenschaften durch monatliche Zuwendungen von je 25 € für Schülerinnen und Schüler, deren Familien wirtschaftlich am äußersten Rand der Gesellschaft stehen.
Wenn in diesen Fällen auch die Regierung den Schulbesuch, die Schuluniform und einen Teil der Bücher garantiert, so fehlt es am Notwendigsten, um den oft begabten, ehrgeizigen und äußerst lernwilligen Schülerinnen und Schülern einen qualifizierten Abschluss — und damit Zukunftschancen — zu gewähren.
Bei den jährlichen Reisen, ausnahmslos von den Mitgliedern privat finanziert, werden neben den Schulen gerade diese Familien besucht und die Entwicklung evaluiert. Briefkontakte in Englisch sind in der Zwischenzeit der Regelfall. Auch Brieffreundschaften zwischen singhalesischen und Neuwieder Schülern vom WHG bestehen z. T. schon länger oder werden jährlich neu vermittelt.
Wie bereitwillig die Chance zum Lernen ergriffen wird, erlebte Edeltrud Pinger, zweite Vorsitzende des Freundeskreises und Schulleiterin des Werner Heisenberg Gymnasiums in Neuwied auch wieder bei ihrer diesjährigen, mittlerweile neunten, Reise nach Sri Lanka. Die Fremdsprachenlehrerin erteilt dort schon seit Jahren kostenlosen Deutschunterricht während ihrer Sommerferien. Zunächst waren es Angestellte im Restaurant und Hausservice, die von Edeltrud Pingers dreiwöchiger nachmittäglichen Sprachvermittlung in dem Hotel profitierten, wo die Reisegruppe untergebracht war. Auch das war Entwicklungshilfe, die dem vom Tsunami stark betroffenen Hotel bei der Werbung um Touristen äußerst dienlich war. Dann aber verlagerte sich der Deutschunterricht an die Schulen, wo Interesse und Ehrgeiz noch größer, die Bindung noch stärker und die Ergebnisse noch beeindruckender waren. Nach täglich zwei Stunden Unterricht können die jungen Singhalesen sich jetzt in Deutsch vorstellen, über ihr Alter, ihre Geschwister und Eltern berichten. Sie sagen, wo sie wohnen, was sie mögen und wann ihr Geburtstag ist. Die kleine Geschichte von Familie Meyer, von den Kindern und ihren Freunden die zum Spielen kommen, wird fast fehlerfrei gelesen, und die Fragen dazu werden von vielen schon mühelos beantwortet. Nur die Stelle mit der kaputten Waschmaschine wirft fragende Blicke in den Klassenraum: So ein Ding hat wohl niemand dieser Kinder zu Hause.
Jürgen Hoppen, früherer Lehrer und schon seit einigen Jahren „Finanzminister“ des Freundeskreises, kümmerte sich bereits im Vorfeld mit seiner Frau Marga Meilen-Hoppen, Lehrerin an der IGS Neuwied, um die neue Bibliothek mit kleinem Arbeits- und Lesesaal. Die beiden brachten alles an Material mit, das zur Inventarisierung und Katalogisierung nötig war. Sie vermittelten den verantwortlichen Lehrern vor Ort ihr Vorgehen und leiteten sie an, ein sinnvolles Ausleihsystem aufzubauen und anzuwenden. Viele englischsprachige Bücher waren auf die Koffer der 11köpfigen deutschen Reisegruppe beim Hinflug verteilt. Singhalesische Literatur und Fachbücher wurden vor Ort mit Spendengeldern eingekauft. Diesen Zugriff auf Bücher aus allen Fachbereichen gab es für die begeisterten Schüler und Lehrer noch nie. Der Freundeskreis hofft, in Zukunft noch mehr Regale füllen zu können und bittet um weitere Spenden.
Die Wertschätzung der kleinen, neuen Errungenschaft wurde besonders deutlich bei der Einweihungsfeier, die Schüler- und Lehrerschaft zu Ehren der deutschen Delegation organisiert hatten. Dass die deutschen Damen dabei den landesüblichen Sari trugen, rechnete man ihnen besonders hoch an, und man bedankte sich mit einem traditionellen Tanz, bei dem sich die Schülerinnen für ihre Unterstützerin und Lehrerin Edeltrud Pinger eine besondere Ehrung einfallen ließen.
Auch die Rohana Special School, an der 150 blinde und taubstumme Kinder sowie Kinder mit Down-Syndrom aufgenommen und beschult werden, ist im Fokus des Neuwieder Freundeskreises. Hier wurden von drei Jahren ein großer Versammlungsraum und im Stockwerk darüber fünf kleine Klassenräume gebaut, um der bedrängenden räumlichen Enge abzuhelfen. Eine besondere Bühne, deren Holz bei Musik die Schwingungen aufnimmt und an die taubstummen Tänzerinnen zur Orientierung weitergibt, ist eine ganz besondere und geschätzte Gabe der deutschen Freunde. In diesem Jahr gab es Fußballtrikots und einen echten Fußball mit Pumpe für die gehörlosen Jungs, die alle genau wissen, dass Fußball und Deutschland zusammen gehören — auch wenn sie sich die Wadenstulpen zunächst über die Arme zogen. Aber zum Wärmen machen sie in Sri Lanka weder an Armen noch an Waden Sinn.
Es gibt noch viel zu tun in Matara. Die Unterstützung fällt auf fruchtbaren Boden und macht die Welt an dieser Stelle im Indischen Ozean ein wenig hoffnungsvoller. Der Freundeskreis Neuwied-Matara wird weiter mit den Schulen und für die Schülerinnen und Schüler arbeiten, die Kontakte pflegen und sich mit großem Einsatz um Spenden bemühen, mit der die Fortführung seiner Arbeit gesichert werden kann. Die Homepage www.tsunami-kinder-matara.de lädt ein, sich weitere Informationen zu holen, die bisherige Arbeit zu verfolgen, sich sogar als Mitglied zu melden oder eine Spende abzugeben, die selbstverständlich bestätigt wird und die ohne Abzüge den Schulprojekten in Matara zugutekommt. Ein herzlicher Dank an alle die uns bisher unterstützten, es weiter tun oder erst damit beginnen.
Taubstumme Schüler des Rohana College im neuen Fußball-Dress.
Einweihungszeremonie, bei der Edeltrud Pinger mit einem Tanz gedankt wurde.
Buddhistisches Gebet der Mönche, bei der sich auch die Ehrengäste erheben (Neben E. Pinger, der Bildungsminister der Südlichen Provinz Sri Lankas).
Rede der Freundeskreisvertreterin, die vom Englischen ins Singhalesische übersetzt wurde
Inventarisierungsarbeiten in der neuen Bibliothek (Sabine Wirges, Marga Meilen-Hoppen, Jürgen Hoppen, einheimische Lehrerin und Schülerin)
Deutschlandkunde im Deutschunterricht von E. Pinger.
taubstumme Schülerinnen des Rohana College, die mit dem Handzeichen ihre Dankbarkeit und Sympathie für die deutschen Freunde ausdrücken.
Schülerinnen und Schüler flankieren die Straße für die deutsche Delegation.
Schild vor der neuen Bibliothek, das die Spender nennt.
Schülerinnen in einer der Wellblechklassenzimmer freuen sich über einen Kugelschreiber aus Deutschland.
Freundeskreismitglied Sabine Wirges in der bescheidenen Behausung ihres Patenkindes.